
Die große Web-Illusion: 6 Fakten, die Apples Kontrolle über Ihr iPhone entlarven

Haben Sie manchmal das Gefühl, dass das Internet auf Ihrem iPhone mit angezogener Handbremse läuft? Dass Webseiten sich irgendwie „dümmer“ anfühlen als auf dem Desktop? Das ist keine Einbildung.
Wir leben in einer Illusion. Die glänzende Oberfläche von iOS suggeriert uns, wir hätten die freie Wahl und das beste Erlebnis. Doch wenn man den Vorhang beiseitezieht, sieht man eine Strategie, die Innovation klein hält und Profite maximiert. Was viele für technische Einschränkungen halten, ist oft pure Absicht.
Lassen Sie uns die Illusion zerlegen. Hier sind 6 Fakten, die zeigen, wie Apple das Web kontrolliert – und warum das gerade jetzt für uns alle wichtig wird.
Inhalt entdecken
- 1 Fakt 1: Der Verrat an Steve Jobs‘ eigener Vision
- 2 Fakt 2: Die „WebKit-Lüge“ (und das europäische Schlupfloch)
- 3 Fakt 3: Die künstliche Verdummung von Web-Apps
- 4 Fakt 4: Safari ist der neue Internet Explorer
- 5 Fakt 5: Die Doppelmoral beim Datenschutz
- 6 Fakt 6: Der 20-Milliarden-Dollar-Grund
- 7 Fazit: Die Illusion bröckelt
Fakt 1: Der Verrat an Steve Jobs‘ eigener Vision
Es klingt wie eine Legende, ist aber wahr: Als Steve Jobs 2007 das iPhone präsentierte, gab es keinen App Store. Seine Vision war radikal anders. Er sagte Entwicklern: „Ihr habt alles, was ihr braucht, wenn ihr moderne Webstandards nutzt.“ Er wollte ein offenes iPhone, auf dem Apps einfach brillante Webseiten sind.
Doch dann roch Apple das Geld. 2008 kam der App Store, und mit ihm die totale Kontrolle – und die 30-Prozent-Gebühr. Die ursprüngliche Vision des offenen Webs wurde nicht nur beerdigt, sie wurde zur Bedrohung. Denn an einer freien Webseite verdient Apple keinen Cent. Aus dem „Traum vom offenen Web“ wurde der „Goldene Käfig“.

Fakt 2: Die „WebKit-Lüge“ (und das europäische Schlupfloch)
Glauben Sie, Sie hätten die Wahl, wenn Sie Chrome oder Firefox auf Ihrem iPhone installieren? Weit gefehlt. Weltweit zwingt Apple jeden Browser dazu, unter der Haube Apples eigenen Motor – „WebKit“ – zu nutzen. Das ist, als dürften Sie die Karosserie Ihres Autos wählen, aber Apple schreibt vor, dass überall derselbe, gedrosselte Motor drin sein muss.
Der wichtige Faktencheck für uns: Hier in der EU hat sich das seit März 2024 geändert. Dank des Digital Markets Act (DMA) muss Apple andere Motoren zulassen. Das Gesetz ist da, aber die Illusion bleibt oft bestehen: Apple hat die Hürden für Entwickler so hoch und kompliziert gestaltet, dass bisher kaum ein großer Browser diesen Schritt wirklich gewagt hat. Das Verbot ist gefallen, aber die technologische Freiheit ist bei uns Nutzern noch kaum angekommen.
Fakt 3: Die künstliche Verdummung von Web-Apps
Es gibt eine Technologie namens „Progressive Web Apps“ (PWAs). Das sind Webseiten, die sich wie echte Apps anfühlen – offline funktionieren, Push-Nachrichten senden, schnell laden. Für Apple sind sie ein Albtraum, weil sie den App Store umgehen.
Deshalb hat Apple sie jahrelang sabotiert.
- Während Android Webseiten erlaubte, Bluetooth-Geräte zu steuern, blockierte Safari das.
- Push-Nachrichten für Webseiten? Hat Apple fast ein Jahrzehnt lang verweigert und erst 2023 zähneknirschend freigeschaltet.
Dass es anders geht, beweist Adobe: Sie haben das komplette Photoshop im Browser zum Laufen gebracht. Technisch ist das iPhone also dazu in der Lage – Apple will nur oft nicht, dass Sie es nutzen.
Fakt 4: Safari ist der neue Internet Explorer
Früher war der Internet Explorer von Microsoft der Bremsklotz des Internets. Heute trägt Safari diesen unrühmlichen Titel. Entwickler nennen ihn oft frustriert den „neuen IE“.
Warum? Weil es für Apple keinen Anreiz gab, besser zu werden. Wenn Konkurrenten auf dem iPhone verboten (oder wie in der EU extrem erschwert) sind, muss man sich nicht anstrengen. Das Ergebnis: Safari hinkt bei neuen Web-Standards oft Jahre hinterher. Das bremst nicht nur Safari-Nutzer, sondern das gesamte Internet, da Entwickler auf moderne Funktionen verzichten müssen, damit die Seite auf dem iPhone nicht kaputtgeht.

Fakt 5: Die Doppelmoral beim Datenschutz
Wenn man Apple fragt, warum sie bestimmte Web-Funktionen blockieren, lautet die Antwort immer: „Privacy“ (Datenschutz). Das klingt edel, ist aber oft scheinheilig.
Ein Beispiel: Apple verweigerte Webseiten den Zugriff auf Bluetooth wegen „Sicherheitsbedenken“. Gleichzeitig dürfen Tausende von billigen Apps aus dem App Store genau darauf zugreifen. Noch pikanter: Apple verkauft sich als Datenschützer, hat aber gleichzeitig Werbe-IDs (IDFA) und Systeme geschaffen, die User-Tracking in Apps ermöglichen. Der Datenschutz scheint immer dann besonders streng ausgelegt zu werden, wenn es darum geht, das kostenlose Web gegenüber den profitablen Bezahl-Apps zu benachteiligen.
Fakt 6: Der 20-Milliarden-Dollar-Grund
Warum tut Apple das alles? Folgen wir dem Geld.
Erstens: Die App-Store-Provision. Jedes Abo, das Sie über eine App abschließen, bringt Apple 15 bis 30 Prozent. Schließen Sie dasselbe Abo über eine freie Webseite ab, kriegt Apple: nichts.
Zweitens: Der Google-Deal. Es ist inzwischen gerichtlich bestätigt, dass Google im Jahr 2022 unglaubliche 20 Milliarden Dollar an Apple überwiesen hat. Wofür? Nur damit die Google-Suche der Standard in Safari bleibt. Ein echter, freier Browser-Wettbewerb auf dem iPhone würde diesen gigantischen Geldfluss gefährden.

Fazit: Die Illusion bröckelt
Die Geschichte vom „sicheren, kuratierten Garten“ ist eine brillante Marketing-Story. In Wahrheit ist es ein Geschäftsmodell, das auf Kontrolle basiert. Die gute Nachricht: Dank der EU-Gesetze und wachsendem Druck weltweit bekommen wir langsam unsere Wahlfreiheit zurück. Aber solange wir die Mechanismen hinter der Illusion nicht verstehen, können wir sie auch nicht ändern. Das nächste Mal, wenn eine Webseite auf Ihrem iPhone hakt – denken Sie daran: Es ist wahrscheinlich kein Fehler. Es ist eine Strategie.
- https://www.lambdatest.com/web-technologies/web-bluetooth-safari
- https://devclass.com/2023/02/24/no-longer-the-new-ie-apples-safari-16-4-to-bring-135-features/
- https://web.dev/articles/ps-on-the-web
- https://www.reddit.com/r/webdev/comments/1ecmtll/safari_is_the_new_ie6/
- https://www.bloomberg.com/news/articles/2024-05-01/google-s-payments-to-apple-reached-20-billion-in-2022-cue-says








